Die Schrift macht uns vergesslich
"Denn diese Erfindung wird der Lernenden Seelen vielmehr Vergessenheit einflössen aus Vernachlässigung des Gedächtnisses, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von aussen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also für das Gedächtnis, sondern nur für die Erinnerung hast du ein Mittel erfunden, und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Seele selbst. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, da sie doch unwissend grösstenteils sind, und schwer zu behandeln, nachdem sie scheinweise geworden statt weise."
Sokrates: Phaidros, 370 v. Chr.
Die Zeitung lenkt uns vom Wichtigen ab
"Sie lechzen danach, täglich nach Neuem zu fragen, Neues zu hören, Neues zu erzählen. (…) Und tatsächlich sehen wir, dass Menschen jedes Standes und jeder Stellung an diesem Fehler leiden. (…) Ja einige sind so schrecklich neugierig und auf Neue Zeitungen so erpicht (…), dass sie sich nicht scheuen, sie sogar in den Kirchen während der heiligen Handlungen zu lesen oder zu hören sowie in Amtsstuben bei noch wichtigeren Beschäftigungen."
Ahasverus Fritsch: Diskurses de Novellarum (Diskurs über den heutigen Gebrauch und Missbrauch der "Neuen Nachrichten", die man "Neue Zeitungen" nennt), Jena, 1676.
Der Roman macht uns süchtig
"Die Lesesucht ist eine unmässige Begierde, seinen eigenen, untätigen Geist mit den Einbildungen und Vorstellungen Anderer aus deren Schriften vorübergehend zu vergnügen. Man liest, nicht um sich mit Kenntnissen zu bereichern, sondern um zu lesen; man liest das Wahre und das Falsche prüfungslos durcheinander, ohne Wissbegier, sondern mit Neugier. Man liest und vergisst. Man gefällt sich in diesem behaglichen, geschäftigen Geistesmüssiggang, wie in einem träumenden Zustande."
Heinrich Zschokke: Die Lesesucht. In: Stunden der Andacht zur Beförderung wahren Christentums und häuslicher Gottesverehrung, Band 5, Heinrich Remigius Sauerländer, Aarau, 1821.
Das Groschenheft macht uns gewalttätig
"Der Hauptreiz der Hefte besteht darin, dass geprügelt, gekämpft, geschossen oder sonst irgendetwas Aufregendes, ja meist Verbrecherisches getan wird. (…) Die Kinder verschlingen die Hefte förmlich und merken nicht, wie übertrieben, wie unmöglich, wie verlogen die ´Geschichten` sind. (…) Die Phantasie der Kinder wird überreizt, der Sinn für Wirklichkeit und Wahrheit zerstört. Ihr Geschmack wird verdorben. Die Kinder werden unfähig zum Genuss guter Bücher. Sie werden zerfahren, arbeitsunlustig. Ihr innerer Sinn verwildert. Ja, in manchen Fällen werden sie roh und brutal. (…) Wie manchen schwachen Charakter hat das Lesen dieser elenden Machwerke auf die Bahn des Verbrechens getrieben."
Flugblatt des Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens, Hamburg, 1908.
Das Kino macht uns unglücklich
"Die Kinder (…) leben in einer ganz anderen Welt. Die wirkliche Welt der einfachen Menschen, der nüchternen Tatsachen und der gewöhnlichen Pflichten kommt ihnen banal vor. Durch die geschminkte parfümierte Welt ihrer Gedanken verekeln und verleiden sie sich diese Welt und gehen schliesslich als unverstandene, unglückliche Menschen durchs Leben. Wer sich all dies Zeugs gewöhnt hat, findet sich in dieser Welt überhaupt nicht mehr zurecht oder erst nach langen Umwegen, nachdem er ein schweres Lehrgeld hat zahlen müssen. (…) Das ist nun einmal keine Ausrüstung fürs Leben, wenn man die Gedanken unserer Jugend mit Dolch und Gift, mit Strick und Dietrich ausrüstet."
Hermann Schachenmann: Detektivroman und Kinematographie, Bern, 1909.
Der Rundfunk macht uns denkfaul
"Der Genuss des Rundfunks ist auch bei grösster Denkfaulheit und Phantasiearmut möglich. Die Anspannung der Geisteskräfte wird durch den Rundfunk mehr vermindert als gefördert."
Leopold von Wiese: Die Auswirkung des Rundfunks auf die soziologische Struktur unserer Zeit, Köln, 1930.
Die Comics töten unsere Phantasie
"Die Bilderreihen der Comics dagegen töten die Phantasie, da sie jede einzelne Bildphase eines längeren Handlungsablaufs wiedergeben und den produktiven Anlagen des Beschauers keinen Raum mehr lassen. Sie drücken das des Lesens bereits kundige Kind mit Gewalt auf die primitive Stufe des vorschulischen Kleinkindes herab und gewöhnen es an das bequeme Mittel des Nur-Schauens, des wahllosen Aufnehmens von Bildern. Die Eltern wissen nicht, was sie ihren Kindern antun, wenn sie ihnen die primitiven, in schreienden Farben gehaltenen Bambino- und Mickemaus-Hefte in die Hand drücken, um sie zu beschäftigen."
Wilhelm Hoppe: Schluss mit den Comics! Gegen diese geistige und seelische Bedrohung der Jugend müssen entscheidende Massnahmen ergriffen werden. In: Kulturarbeit 8, Nr. 5, 1956.
Das Fernsehen unterzieht uns einer Gehirnwäsche
"Das Fernsehen eignet sich zur Gehirnwäsche. (…) Es macht die Zuschauer immer unfähiger, das Wirkliche vom Nichtwirklichen, das Innen vom Aussen, Selbsterfahrenes von Eingetrichtertem zu unterscheiden. Es bringt den Zeit-, Orts- und Geschichtssinn durcheinander - und das Gefühl für natürliche Zusammenhänge."
Jerry Mander: Schafft das Fernsehen ab! Eine Streitschrift gegen das Leben aus zweiter Hand, Reinbek bei Hamburg, 1979.
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(Entnommen der Ausstellung home 2.0 im Stapferhaus Lenzburg)